Fragt man nach dem Urvater des klassischen Survival-Horrors bekommt man meist „Resident Evil“ zur Antwort. Tatsächlich wagte sich aber ganze fünf Jahre vor Chris Redfield und Claire Valentine schon ein anders Figurenduo in ein gespenstisches Herrenhaus. Dass Alone in the Dark im Gegensatz zur Capcom-Konkurrenz heutzutage jedoch keine große Nummer mehr ist, hat sich die Reihe selbst zuzuschreiben, waren die meisten Folgetitel doch im wesentlichen verdiente Flops. Und die Filmlizenz ausgerechnet einem Uwe Boll zu geben, war ein weiterer Sargnagel.

Nun aber liegen die Rechte in den Händen von THQ Nordic, wo man die Franchise neu zu beleben versucht. Abermals schlicht als Alone in the Dark benannt, möchte das neu Spiel eine Art „Liebesbrief“ an das Original sein, dabei allerdings kein Reboot oder gar Remaster. Letztlich haben wir es mit einer Neuinterpretation der Formel zu tun, die nur einige wenige Schnittmengen aufweist, welche sich aber im Wesentlichen auf Eastereggs für Fans beschränken. Es handelt sich um ein eigenständiges Abenteuer mit einer eigenen Geschichte – Vorwissen ist also nicht nötig.

Gemein hat das neue Alone in the Dark mit dem Original, dass wir erneut mit dem Privatdetektiven Edward Carnby und seiner Auftragsgeberin Emily Hartwood zu Beginn des Spieles an einem alten Herrenaus ankommen und uns für die folgenden rund acht Stunden Spielzeit für einen der beiden Charaktere entscheiden müssen.

Er oder sie – egal

Da beide Figuren im Wesentlichen die gleiche Geschichte erleben und sogar über die komplett gleichen Fähigkeiten verfügen, ist es letztlich egal, ob ihr euch für Emily oder Edward entscheidet. Das wahre Ende sieht man ohnehin erst, wenn man das Spiel mindestens mit beiden Charakteren durchgezockt hat. Wiederspielwert ist also schon mal gegeben.

Wir befinden uns in den 1920ern im Süden der USA und nehmen schon einmal vorweg, dass es den Machern von Pieces Interactive wunderbar gelungen ist, die Kombination aus Zeitalter und Ort zu einer äußert atmosphärischen Stimmung zu kondensieren. Begleitet von elegant hintergründigen Jazz-Klängen kniet das neue Alone in the Dark vor alten Noir-Filmen nieder – einer Ära, in welcher Zigarettenqualm und Scotch als Stilmittel dienten, Detektive sich mit ihren inneren Dämonen plagten und Frauen düstere Geheimnisse hinter einem verführerischen Lächeln verbargen.

Wo ist Onkel Jeremy?

In diesem Setting machen wir uns auf die Suche nach Emilys Onkel Jeremy, nachdem seine Nichte zuvor einen besorgniserregenden Brief aus dem Sanatorium erhalten hat, als welches das schon aus dem Original bekannte Derceto-Anwesen diesmal fungiert. Entsprechend kurios sind die Bewohner des alt-ehrwürdigen Herrenhauses, und das schließt das Personal mit ein.

Schnell stellt sich heraus, dass es hier um weit mehr geht, als nur um das Verschwinden eines Patienten, und so entspinnt sich nach und nach ein übernatürliches Detektiv-Mystery-Abenteuer, welches sich nur selten dem Horror-Genre hingibt und seine Spannung vielmehr daraus bezieht, dass man sich zunehmend Fragen muss, was hier verdammt nochmal Realität ist, und was nicht.

Während die von Mikael Hedberg verfasste Geschichte vor allem in den Zwischensequenzen erzählt wird, sind wir dazwischen in der Third-Person-Perspektive mit dem Charakter unserer Wahl zunächst nur in dem Haus unterwegs, wo wir es mit einer ganzen Reihe verschlossener Türen zu tun bekommen, die es im Zuge unserer Ermittlungen nach und nach zu öffnen gilt.