Einstmals ein prestigeträchtiges Vorzeigeprojekt erntet der deutsche Bahnverkehr dieser Tage vollkommen zurecht global nur noch Hohn und Spott, während Reisende ob der unzähligen Verspätungen oder Zugausfälle zwischen purer Resignation und blanker Wut mäandern – lediglich gestreikt wird hier pünktlich. An Gründen für die Misere mangelt es nicht, eine kürzlich aufgetauchte Stellenanzeige spricht was das betrifft aber wahrlich Bände.

Mutmaßlich von der Bahn oder dem Bahnkonzern Siemens ausgeschrieben, wurde in dieser nach einem Administrator für Windows 3.11 gesucht. Nun muss man kein Informatiker sein, um zu wissen, dass das Betriebssystem unlängst in der elften Version vorliegt, und man es bei 3.11 von daher mit einem digitalen Fossil zu tun hat.

30 Jahre alt

Tatsächlich erschien das Betriebssystem Windows 3.11 im Februar 1994 und feiert damit bald seinen 30. Geburtstag. Auch das einen Quartal zuvor veröffentlichte Windows for Workgroups 3.11 kam in der Anzeige zur Sprache, was insofern schlüssig erscheint, als dass die Stelle als „Remote“ ausgeschrieben war, weshalb ein TCP-IP-Stack für die Fernwartung vorhanden sein sollte.

Zu den Aufgaben des neuen Mitarbeiters sollten dabei die Aktualisierung von Treibern sowie die Pflege des Altsystems gehören, weshalb Bewerber auch Kenntnisse in den „Legacy-Betriebssystemen und Windows-Managern (insbesondere MS DOS und Windows for Workgroups)“ vorweisen sollten.

Am Montag wurde die fragliche Stellenanzeige jedoch von den verschiedenen Job-Portalen plötzlich wieder gelöscht, was womöglich auch an der etwas unglücklichen Formulierung liegt, bei der offenbar eine KI zum Einsatz kam – dies wäre ein Beweis dafür, dass die Anzeige tatsächlich aktuell war.

Die Bahn forderte in dieser:

„Das Ergebnis Ihrer Arbeit ist eine hochwertige Display-Software, deren Schnittstellen zur Fahrzeugsteuerung bzw. Fahrzeugleittechnik reibungslos funktionieren.“ In diesem Zusammenhang heißt es weiter, dass das Anzeigesystem in den Führerständen von Hochgeschwindigkeits- und Regionalzügen dem Fahrer die wichtigsten technischen Daten in Echtzeit anzeige.

Dies impliziert möglicherweise, dass die Stelleninhaber direkt am Programmcode arbeiten müssten, in der Ausschreibung war jedoch lediglich die Rede davon, dass man „Treiber aktualisieren“ solle. Und selbst dabei gibt es zu bedenken, dass es wohl sehr schwer sein dürfte, Treiber zu finden, die ein derart altes System mit aktuellen Produkten kompatibel machen – es müsste also wohl selbst programmiert werden.

Doch wer weiß: Womöglich pflegt die Bahn noch alte Wartungsverträge mit Hardware-Anbieter, die sich über Jahrzehnte hinweg zu einer Software-Pflege verpflichtet haben.

Bahn-Kenntnisse von Vorteil

Die Beschreibung der Stelle ließ jedenfalls offen, welche spezifischen Wartungsarbeiten an den Altsystemen nötig sind. Erwähnt wurde lediglich die Möglichkeit, dass Systemreinigungen und Defragmentierungen alter Festplatten erforderlich sein könnten, doch auch hier ging die Stellenausschreibung nicht weiter in die Tiefe.

Wer Kenntnisse über Systeme der Deutschen Bahn, wie etwa Sibas, sowie Erfahrung „mit bildgebenden Systemen oder im Bahnbereich“ mitbrächte, sei im Vorteil.

Produktlebenszyklen, die viele Jahrzehnte überdauern und sich damit von der üblichen Industrienorm unterscheiden, sind bei der Bahn nicht ungewöhnlich. Beispielsweise wurde erst 2015 eine DFÜ-basierte Sitzplatzreservierung in der ICE-Flotte eingeführt – zuvor wurden die Daten doch tatsächlich noch auf Disketten übermittelt.